Trio wegen Nazi-Verlag vor Gericht! Erster Angeklagter gesteht: „War über mich selbst erschrocken“

Dresden – Im Prozess gegen die drei mutmaßlichen Mitglieder des Verlages „Der Schelm“ legte der erste Angeklagte am heutigen Donnerstag ein Geständnis ab. Umfangreich erzählte Matthias B. (38) am Vormittag im Hochsicherheitsgericht am Hammerweg in Dresden, wie die Geschäfte mit den rassistischen Büchern liefen.

Laut Generalbundesanwalt schlossen sich Matthias B., Enrico B. (41) und Annemarie K. (38) mit dem Verlagsgründer Adrian P. (60) zusammen, um Bücher mit antisemitischem Inhalt zu verbreiten.

Machwerke von Hitler, Mahler oder Hiemer für mehr als 800.000 Euro wurden versandt. Bei der Razzia wurden noch Publikationen für 900.000 Euro, unter anderem im Lager in Bad Lausick gefunden.

Matthias hatte nach eigenen Angaben einst einen eigenen Verlag, kannte Adrian aus dem NPD-Umfeld. Als sein Geschäft einbrach, war es „ein Geschenk des Himmels“ für Adrian und dessen Verlag „Der Schelm“ zu arbeiten, die Bücher zu setzen und für den Druck vorzubereiten.

Gedruckt wurde letztlich in Ungarn. Dort seien die Preise niedrig, und „es wird nicht so genau auf den Inhalt geachtet“.

„Der Schelm“-Prozess: „Geärgert, dass ich mit so einem Idioten zusammengearbeitet habe“

Ursprünglich wurden die Bücher über eine Händlerin in Hessen versandt. „Der wurde es aber zu heiß, und Adrian wurde immer extremer“, so Matthias, der selbst auch den Versand der antisemitischen Bücher ablehnte. „Es ist etwas anderes, die Bücher zu setzen, als sie in Umlauf zu bringen“, erklärte er.

Aber im Leipziger Ex-NPD-Stadtrat Enrico B. und dessen damaliger Lebensgefährtin Annemarie habe Adrian (der sich inzwischen in Russland aufhält und per internationalem Haftbefehl gesucht wird) neue Partner für den Vertrieb gefunden. Matthias installierte dafür die Software und fast alles lief vollautomatisch. Bis zur Razzia im Dezember 2020.

Später kam Matthias in Haft, wurde auf Kaution entlassen, sicherte für die Behörden zahlreiche Daten des Verlages, half damit bei den Ermittlungen. „Als ich im Januar 2023 meine eigene Akte bekam und alles nachlas, war ich über mich selbst erschrocken. Ich habe mich geärgert, dass ich mit so einem Idioten zusammengearbeitet habe“, so der Angeklagte, der inzwischen am Aussteigerprogramm „exit“ teilnimmt.

Am Nachmittag will das Oberlandesgericht noch mit der Vernehmung von Enrico B. beginnen.


TAZ 14.03.2024

Rechtsextremer Buchversand vor Gericht: „Mein Kampf“ lief am besten

Der rechtsextreme „Schelm“-Versand verschickt antisemitische oder holocaustleugnende Bücher. Der Prozess begann ohne den Hauptbetreiber.

Das Angebot steht bis heute online. Werke wie „Das Ehrenbuch des Führers“, vertreibt der „Schelm“-Versand auf seiner Webseite. Oder „Die jüdische Mafia, eine internationale Raubtierhorde“, ein „Whitepower“-Buch mit Hakenkreuz-Titel oder auch Hitlers „Mein Kampf“. Der Versand dauere etwas länger, weil man eine „umwegige Lieferkette“ nehmen müsse, heißt es. Nach drei bis acht Wochen sollte die Lieferung aber da sein, anonym versendet, „ohne Zollschnüffelei“.

Es sind einschlägige, vielfach indizierte Werke, die hier vertrieben werden – nur teils kaschiert als „historische Dokumentation“. Aber der Versand läuft schon seit fast zehn Jahren. Seitdem avancierte der „Schelm“ zu einem der zentralen Buchversände der rechtsextremen Szene. Am Donnerstag sitzen deshalb vor dem Oberlandesgericht Dresden drei Angeklagte, die dafür verantwortlich sein sollen – Matthias B., Enrico B. und seine frühere Lebensgefährtin Annemarie K., einst allesamt für die NPD aktiv.

Im Dezember 2020 hatte die Polizei ein Lager des Versands in Bad Lausick bei Leipzig durchsucht und 53.617 Bücher beschlagnahmt, die allermeisten mit volksverhetzenden Inhalten und mit einem Verkaufswert von 913.222 Euro. Im Sommer 2022 folgte dann die Festnahme von Enrico B. und Matthias B., da ermittelte inzwischen die Bundesanwaltschaft. Der Vorwurf: Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung.

809.749 Euro soll der Verlag mit dem Verkauf von 46.576 rechtsextremen Büchern allein von 2018 bis 2020 verdient haben. Doch auch seit den Festnahmen geht der Versand munter weiter. Weil ein Mann seit Jahren flüchtig ist: der langjährige Rechtsextremist und frühere Leipziger Adrian Preißinger. Vor dem Oberlandesgericht geht es nun um seine früheren Mitstreiter.

„Bücher wurden immer krasser“

Oberstaatsanwalt Adrian Jung von der Bundesanwaltschaft verliest eine nicht enden wollende Liste der antisemitischen, holocaustleugnenden oder rassistischen Bücher, die im „Schelm“-Lager gefunden wurden. Kopf sei der flüchtige Preißinger, sagt auch er. Aber auch Matthias B. habe Bestellungen entgegengenommen, die Bücher setzen lassen oder die IT betreut. Enrico B. und Annemarie K. hätten die Lagerung und den Versand übernommen. Damit habe das Trio „Hass gegen Teile der Bevölkerung“ verbreitet.

Alle drei Angeklagten sagten schon vor Ermittlern aus, sie wollen es auch im Prozess tun. Den Auftakt macht Matthias B. – der publik macht, dass er sich seit Mitte 2022 im Aussteigerprogramm von Exit befindet. Über die NPD und seine Ausbildung beim verbandelten Deutsche Verlag Stimme habe er Preißinger kennengelernt. Erst habe er einen eigenen Verlag gegründet, Libergraphix. Später dann mit Preißinger den „Schelm“. Dieser sei ein „ordentlicher Antisemit“ gewesen und skrupellos. Als klar war, dass Ermittlungen liefen, habe er gesagt, „jetzt erst recht“.

Über die Jahre seien die Bücher „immer krasser“ geworden, vor allem „Mein Kampf“ sei sehr gut gelaufen, erklärt Matthias B. Mehrmals sei es ihm eigentlich „zu heiß“ geworden. Aber erst nach der Razzia 2020 habe er sich vom „Schelm“ verabschiedet. Nach seiner Festnahme 2022 sei er dann zu Exit gegangen und habe bei Ermittlern ausgepackt, auch über die Mitangeklagten.

Hauptbetreiber lebt in Russland

Matthias B. erklärt auch, wo sich Preißinger befindet: in Russland. Anfangs sei der 60-Jährige noch gependelt, auch nach Asien. Seit 2015 oder 2016 lebe er dort dauerhaft, habe eine Russin geheiratet. Kontakt hätten beide über den Skype-Messenger gehalten.

Nach eigener Auskunft hat Matthias B. dem LKA Sachsen sogar die genaue Adresse von Preißinger mitgeteilt und den Ermittlern auch Verlagsdaten und tausende Mails von Preißinger übergeben. Auch drei bis heute noch für den „Schelm“ aktive Mitarbeitende habe er benannt. Aber Preißinger genieße bis heute „Narrenfreiheit“, klagt Matthias B. Zu Festnahmen und einem Vertriebsende führte das bisher tatsächlich nicht.

Die Bundesanwaltschaft hatte zuletzt erklärt, die kriminelle Vereinigung gelte „als zerschlagen“, man führe deshalb gegen sie keine weiteren Ermittlungen. Zur Fahndung gegen Preißinger wollte sie sich nicht äußern. Das LKA Sachsen beteuert, dass durchaus weiter ermittelt werde. Bisher sei eine Festnahme von Preißinger aber nicht möglich gewesen, so eine Sprecherin. Gleiches gelte für wiederholte Versuche, die Webseite offline zu nehmen, da die Server im Ausland stünden.

Website kann nicht abgeschaltet werden

Nach taz-Informationen soll sich Preißinger in einem Vorort von Moskau befinden. Der „Schelm“-Versand gibt auf seiner Webseite aktuell eine Adresse in Thailand an und behauptet, die Bücher würden aus dem „EU-Raum“ verschickt. Laut Matthias B. wurden die Bücher in den vergangenen Jahren in Ungarn gedruckt. Die Bezahlung sei zuletzt über Scheinfirmen und Konten in Spanien abgewickelt worden.

Auf der „Schelm“-Webseite werden die Ermittler verhöhnt: Trotz Verfolgung durch die „wildgewordene BRDDR-Meute“ sei man „nicht kaputtzukriegen“, heißt es da. Man befinde sich „im Kriegszustand gegen ein heuchlerisch-verlogenes System“. Jede Woche gebe es Störangriffe auf das EDV-System, die aber abgewehrt würden, weil der Systemadministrator ein „ausgepuffter IT-Krimineller der Russen-Mafia“ sei.

Die Linken-Abgeordnete Martina Renner fordert ein Ende des Spuks. Es sei „unverständlich“, dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen nicht mehr weiterführe, insbesondere wenn sich Preißinger im Ausland aufhalte, sagte sie der taz. Und „vollkommen abwegig“ sei es, dass die Vereinigung zerschlagen sei, wenn der Versand munter weiter NS-Literatur verkaufe.


Stern 24.03.2024

Rechtsextremer Verlag „Der Schelm“: Prozess gegen drei Angeklagte in Dresden

Wegen ihrer Mitarbeit beim rechtsextremen Verlag „Der Schelm“ müssen sich seit Donnerstag zwei Männer und eine Frau wegen massenhafter Verbreitung von Holocaustleugnung und Judenhass vor dem Oberlandesgericht (OLG) Dresden verantworten. Die Bundesanwaltschaft klagte die drei Beschuldigten unter anderem wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung an.

Nach Erkenntnissen der Bundesanwaltschaft sollen sie sich ab 2018 mit einem gesondert verfolgten Tatverdächtigen, der als Kopf der Gruppe gilt und flüchtig ist, zusammengeschlossen haben, um unter dem Dach des rechtsextremistischen Verlags volksverhetzende Schriften zu verbreiten. Deren überwiegend nationalsozialistische und antisemitische Inhalte stacheln der Anklage zufolge zum Hass gegen die jüdische Bevölkerung auf und leugnen den Holocaust.

„Der Schelm“ vertrieb demnach zwischen 2018 und 2020 im Ausland gedruckte Bücher wie das verbotene Adolf-Hitler-Pamphlet „Mein Kampf“ und weitere nationalsozialistische Hetzschriften wie das antisemitische Kinderbuch „Der Giftpilz“. Es erschien erstmals 1938 im Verlag des NS-Propagandablatts „Der Stürmer“ des fanatischen Judenhassers Julius Streicher.

Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll der rechtsextremistische Verlag in diesem Zeitraum einen Umsatz von mehr als 800.000 Euro erwirtschaftet haben. Im Dezember 2020 wurden bei einer Durchsuchung volksverhetzende Bücher mit einem Verkaufswert von mehr als 900.000 Euro beschlagnahmt. Die Angeklagten sollen demnach für den Vertrieb und die Lagerhaltung zuständig gewesen sein.

Die Angeklagten Enrico B. und Matthias B. wurden 2022 im Zuge der Ermittlungen in Leipzig und Röderaue in Sachsen festgenommen und zunächst in Untersuchungshaft genommen. Sie kamen später aber wieder auf freien Fuß. Gründer des Verlags ist Berichten zufolge der Rechtsextremist Adrian P., der sich demnach ins Ausland absetzte und in Russland vermutet wird.

„Der Schelm“ vertreibt über das Internet weiter volksverhetzende Bücher, auf seiner Internetseite wird eine Adresse in Thailand angegeben. Für den Prozess setzte das OLG zunächst neun Verhandlungstermine bis Mitte April an.


RTL 24.03.2024

Prozess gegen Akteure von rechtsextremen Verlag „Der Schelm“

Rechtsextremisten verbreiten ihre Propaganda nicht nur über soziale Medien. Auch diverse Publikationen sind in der Szene beliebt. In Dresden wird nun Mitarbeitern eines Verlags der Prozess gemacht.

Volksverhetzung als Geschäftsmodell: Zwei Männer und eine Frau müssen sich seit Donnerstag am Oberlandesgericht Dresden für ihre Mitarbeit im rechtsextremistischen Verlag Der Schelm verantworten. Die Generalbundesanwaltschaft hatte Anklage wegen Gründung einer kriminellen Vereinigung und Mitgliedschaft in einer solchen sowie Volksverhetzung erhoben. Die Beschuldigten sollen sich mit einem weiteren Mann – der als Rädelsführer gilt, aber nicht in diesem Verfahren angeklagt ist – zusammengeschlossen haben, um unter dem Dach des Verlages nationalsozialistische und antisemitische Ideologie durch den Verkauf entsprechender Bücher zu verbreiten.

Laut Anklage haben die Beschuldigten zwischen 2018 und 2020 mit dem Vertrieb der Publikationen einen Umsatz von mehr als 800.000 Euro erzielt. Bei einer Durchsuchung im Dezember 2020 hatten die Ermittlungsbehörden zudem weitere entsprechende Druckerzeugnisse mit einem Verkaufswert von über 900.000 Euro gefunden und sichergestellt.

In der Anklage listete die Generalbundesanwaltschaft am Donnerstag eine Fülle von Publikationen auf, die der Verlag im Angebot hatte. Das betraf unter anderem Mein Kampf von Adolf Hitler, Schriften von Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg, Der Aufstieg der Juden von Ferdinand Fried, Die jüdische Weltpest – Judendämmerung auf dem Erdball von Hermann Esser und das antisemitische Kinderbuch Der Giftpilz von Ernst Hiemer. Der Verlag wird von den Ermittlungsbehörden als kriminelle Vereinigung eingestuft. Nach Angaben des Vorsitzenden Richters Hans Schlüter-Staats gab es im Vorfeld keine Gespräche über eine Verständigung. Alle drei Beschuldigten wollen im Prozess aussagen.

Den Anfang machte nach der Anklageverlesung ein 38-Jähriger, der sich nach eigenem Bekunden aus der rechtsextremen Szene gelöst hat und neben Volksverhetzung wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung angeklagt ist. Der ausgebildete Mediengestalter hatte in dem Verlag als Grafiker gearbeitet und laut eigener Aussage auch eine Reihe sonstiger Aufträge für den Rädelsführer erfüllt. Die Vorwürfe gab er weitgehend zu. Ausführlich schilderte er seinen politischen Werdegang und seine Abkehr von der Szene. Für seine Dienste soll das frühere NPD-Mitglied rund 30.000 Euro kassiert haben. Bei der gleichaltrigen Frau aus Brandenburg wurde eine Summe von knapp 18.000 Euro genannt, bei dem dritten Beschuldigten – einem 41-Jährigen aus Leipzig – waren es rund 76.000 Euro.

Man sei öfter an dem Punkt gewesen, dass es zu heiß wird und es nicht mehr lange gut gehen werde, sagte der 38-Jährige. Dennoch sei er dann von seiner Verhaftung im Juni 2022 überrascht gewesen. Mein innerer Antrieb war, auszusagen. Ich habe die Taten gemacht und ich wollte dazu stehen. Zugleich gab er zu Protokoll, die Datenbank des Rädelsführers gehackt und den Ermittlern eine Datenbank mit Informationen über den Vertrieb der Bücher gegeben zu haben. Er selbst habe das Gefühl gehabt, sein Leben brauche einen Riesen-Reset. Schließlich habe er sich bei einem Aussteiger-Programm gemeldet, zu dessen Inhalt auch der Besuch des Konzentrationslagers Buchenwald gehörte. Für mich selbst war das mit Scham behaftet, beschrieb er seine Eindrücke aus Buchenwald.

Das Gericht hat bis Mitte April weitere sieben Verhandlungstage angesetzt.


MDR 14. März 2024, 17:06 Uhr

Prozess in Dresden gegen Leipziger Neonazi-Verlag „Der Schelm“ begonnen

Der rechtsextreme Verlag „Der Schelm“ hat jahrelang Tausende Bücher mit Judenhass, Holocaustleugnung und anderen rechtsextremen Inhalten verbreitet, darunter auch Hitlers unkommentierte Ausgabe von „Mein Kampf“. Dafür müssen sich nun zwei Männer und eine Frau vor dem Oberlandesgericht Dresden verantworten – unter ihnen ein früherer Leipziger NPD-Stadtrat. Zum Prozessauftakt gestand einer der Angeklagten die Vorwürfe.

Vor dem Oberlandesgericht Dresden hat ein Prozess gegen drei mutmaßliche Mitarbeiter des rechtsextremen Verlags „Der Schelm“ begonnen. Zwei Männer und eine Frau wurden von der Bundesanwaltschaft unter anderem wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung angeklagt. Sie sollen im großen Stil volksverhetzende Schriften verbreitet haben.

Angeklagter aus Gröditz gesteht Beteiligung an Verlag

Zum Auftakt des Prozesses wurde von der Bundesanwaltschaft zunächst die Anklage verlesen. Im Anschluss äußerte sich der 38-jährige Matthias B. umfassend zu den Vorwürfen. Er gestand seine Verbindungen und die Mitarbeit in dem Verlag „Der Schelm“. Er habe sich als Jugendlicher der Neonazi-Szene in Gröditz angeschlossen und später wegen Geldproblemen in dem Verlag mitgeholfen. Da bereue er viel, sagte Matthias B..

In dem Verlag habe er als Grafiker Bücher gesetzt und zum Teil die Kommunikation mit Verlagen übernommen. Gedruckt worden sei in Osteuropa. Gelagert wurden die Bücher seinen Angaben zufolge unter anderem im sächsischen Bad Lausick. Die Hauptschuld gab er dem gesondert gesuchten mutmaßlichen Gründer des Verlags, Adrian Preißinger. Der Verlagschef habe jeweils den Auftrag für die Publikationen ausgelöst, sagte der Angeklagte Matthias B..

Er beteiligt sich nach eigenen Angaben inzwischen an dem Aussteigerprogramm Exit und befindet sich in psychologischer Behandlung. Ein Buch des „Schelm“-Verlages habe er selbst nie gelesen. Matthias B. hatte nach eigenen Angaben auch im NPD-Verlag Deutsche Stimme in Riesa gearbeitet.

Rechtsextremist Böhm inszeniert sich als „kleines Licht“

Am Nachmittag äußerte sich der Angeklagte Enrico Böhm aus Leipzig zu den Vorwürfen. Auch er gestand eine Mitarbeit in dem Verlag. Böhm versuchte aber, seine Beteiligung kleinzureden. Er habe nur Aufträge erfüllt, die Inhalte der Bücher seien ihm egal gewesen, sagte der 41-jährige frühere Leipziger NPD-Stadtrat. Die Vernehmung Böhms soll am Freitag fortgesetzt werden. Dann soll sich auch die Angeklagte Annemarie K. zu den Vorwürfen äußern.
Judenhass und Nazi-Propaganda als Geschäftsmodell

Der Verlag vertrieb zwischen 2018 und 2020 im Ausland gedruckte antisemitische Kinderbücher wie der „Giftpilz“, eine unkommentierte Ausgabe von Adolf Hitlers „Mein Kampf“ und Schriften, in denen NS-Verbrechen geleugnet werden. „Der Giftpilz“ erschien erstmals 1938 im Verlag des NS-Propagandablatts „Der Stürmer“ des fanatischen Judenhassers Julius Streicher.

Laut Anklage der Bundesanwaltschaft soll der rechtsextremistische Verlag in dem Zeitraum einen Umsatz von mehr als 800.000 Euro erwirtschaftet haben. Im Dezember 2020 wurden bei einer Durchsuchung in Röderaue und Brandenburg volksverhetzende Bücher mit einem Verkaufswert von mehr als 900.000 Euro beschlagnahmt. Die Angeklagten sollen demnach für den Vertrieb und die Lagerhaltung zuständig gewesen sein.
Angeklagte Rechtsextremisten sind auf freiem Fuß

Der ehemalige NPD-Stadtrat in Leipzig, Enrico Böhm, soll nach NDR-Recherchen für Lagerung und Versand der Bücher zuständig gewesen sein, zusammen mit seiner Freundin Annemarie K.. Für die Vereinigung mietete er laut Bundesanwaltschaft Lagerräume in Leipzig an und hatte dort mehrere Tausend im Ausland gedruckte Bücher mit strafrechtlich relevanten Inhalten auf Vorrat. Ein Team des NDR hatte Böhm schon Anfang 2020 gefilmt, wie er offensichtlich Bücher für den „Schelm“ über einen Leipziger Paketshop verschickte.

Dem langjährigen NPD-Aktivisten Matthias B. soll laut Bundesanwaltschaft eine „herausgehobene Funktion“ in der Vereinigung zugekommen sein. Er betrieb ein Antiquariat in Gröditz. Böhm und Matthias B. wurden 2022 in Leipzig und Röderaue in Sachsen festgenommen und zunächst in Untersuchungshaft genommen. Sie kamen später aber wieder auf freien Fuß.

Mutmaßlicher Anführer in Russland vermutet

Als mutmaßlicher Kopf des Verlags gilt der Rechtsextremist Adrian Preißinger, der sich ins Ausland abgesetzt hat. Nach dem 1964 im oberfränkischen Kronach geborenen Mann wird mit internationalem Haftbefehl gefahndet. Er wird in Russland vermutet, von wo aus er über das Internet weiter volksverhetzende Bücher verbreitet. Auf seiner Internetseite wird – offensichtlich zur Verschleierung – eine Adresse in Thailand angegeben.
Preißinger ist auch für die Behörden in Sachsen kein Unbekannter: Das Landgericht Dresden hatte ihn 2002 wegen des Verbreitens von Propagandamitteln verfassungswidriger Organisationen, Volksverhetzung und anderer Taten zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt.

Handel des Verlags geht über ausländischen Server weiter

Dass der weitere Handel des „Schelm“-Verlags übers Internet mit der volksverhetzenden Propaganda von Deutschland aus nicht unterbunden werden kann, erklärt LKA-Sprecherin Silvaine Reiche mit den eingeschränkten rechtlichen Möglichkeiten. „Der Server ist bei uns nicht gehostet“, sagte Reiche MDR SACHSEN. Deshalb hätten die Behörden keinen Zugriff.
Solche Propagandaschriften verfügen laut Verfassungsschutz „im Original und als Nachdruck nach wie vor über eine besondere Ausstrahlungs- und Symbolkraft in der rechtsextremistischen Szene“. Dem „Schelm“ attestiert der Verfassungsschutz eine „besonders ausgeprägte antisemitische Agitation“.

Für den Prozess hat das Oberlandesgericht zunächst neun Verhandlungstermine bis Mitte April angesetzt. Sie finden im Hochsicherheitssaal des Gerichts in Dresden am Hammerweg statt.


BERNHARD SCHILZ 14.03.2024 BILD

Prozess um rechtsextremen „Schelm-Verlag“Nazi-Verleger packt über Geschäft mit Judenhass aus

Sie vertreiben seit Jahren widerlichste Nazi-Propaganda, Bücher, in denen der Holocaust geleugnet wird, Hassschriften auf das Judentum. Am Donnerstag begann der Prozess gegen den rechtsextremistischen Verlag „Der Schelm“.

Angeklagt wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und Volksverhetzung sind der ehemalige Leipziger NPD-Stadtrat Enrico Böhm (41), seine Ex-Lebensgefährtin Annemarie K. (38) und Ex-NPD Mitglied Matthias B. (40). Der Chef des Verlages, Adrian P. (59), ist in Russland untergetaucht, verkauft weiter seine Hass-Bücher.

Im September 2020 wurde das Lager des Schelm-Verlages in Bad Lausick (Sachsen) vom LKA durchsucht, 73 000 Bücher und Broschüren im Verkaufswert von 900 000 Euro beschlagnahmt. Darunter die unkommentierte Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf“, unzählige antisemitische Schriften aus der NS-Zeit wie „Die Judenpest“, Schriften, die den Holocaust leugnen und Jubelbücher über Hitler und die SS.

Enrico Böhm und Annemarie K. waren laut Anklage für den Versand der Hassbücher verantwortlich. Matthias B. kümmerte sich um den Satz der Nazi-Schriften, schickte die Druckaufträge zur Druckerei der Nazi-Verleger in Ungarn.

Matthias B. war zudem für den Internet-Shop und die IT verantwortlich. Er wurde erst Monate nach der Durchsuchung im Juni 2021 festgenommen und legte ein umfangreiches Geständnis ab. „In der Haft wurde mir klar, dass ich zu meinen Taten stehen will. Ich wuchs in Gröditz, Sachsen, auf, trat in die NPD ein, arbeitete als Mediengestalter bei der Deutschen Stimme (NPD-Zeitung, d. Red.). Dort lernte ich auch Adrian P. kennen“, sagt Matthias B.

Matthias B. saß nur vier Wochen in U-Haft. Er lieferte den Ermittlern Namen weiterer Mitarbeiter des Verlages, sicherte Datenbanken und Geschäftskontakte von Adrian P., hackte sich in dessen soziale Netzwerke. „Ich bin in einem Aussteigerprogramm für ehemalige Rechtsextremisten, habe Buchenwald besucht“, gibt sich der Nazi-Verleger geläutert.

So machten sie mit Hass-Schriften Kasse

Warum Matthias B. überhaupt in das Geschäft einstieg, erklärt er so: „Es ist halt schwer, als Nazi einen Job zu finden, und ich wollte nicht von Hartz IV leben.“ Mit dem Judenhass verdienten die Angeklagten reichlich Geld. „Eine Broschüre über die sogenannte Auschwitzlüge kostete 1,30 Euro im Druck, wurde für zehn Euro verkauft,“ so B. Bis 2020 brachte der Nazi-Verlag Tausende Hassbücher auf den Markt.

Auch Enrico Böhm legte ein Geständnis ab: „Ich hatte mit Adrian P. ein gemeinsames Lager, kümmerte mich um den Versand der Bücher.“ Annemarie K. hat ebenfalls ein Geständnis angekündigt. Nach Verlagschef Adrian P. wird mit Haftbefehl gefahndet.

Der Prozess geht weiter.


BERNHARD SCHILZ 15.02.2024 BILD

Ihnen drohen 5 Jahre Knast – Deutschlands schlimmste Nazi-Verleger vor Gericht

Sie vertreiben seit Jahren widerlichste Nazi-Propaganda, Bücher in denen der Holocaust geleugnet wird, Hassschriften auf das Judentum. Jetzt wird Deutschlands schlimmsten Nazi-Verlegern der Prozess gemacht.

Verhandelt wird im Hochsicherheitssaal des Oberlandesgerichts Dresden gegen die drei Angeklagten Enrico Böhm (41, Ex-Stadtrat), Matthias B. (38) und Annemarie K. (38).

OLG-Sprecherin Meike Schaaf (58): „Die drei Angeklagten haben sich mit einem gesondert Verfolgten unter dem Dach des Verlages ,Der Schelm‘ zusammengeschlossen, um eine nationalsozialistische und antisemitische Ideologie durch den Verkauf entsprechender Bücher zu verbreiten.“

Der Verlag wurde 2018 gegründet, machte in den ersten beiden Jahren 800 000 Euro Umsatz. Schaaf: „Bei einer Durchsuchung durch das Landeskriminalamt Sachsen wurde Ende 2020 in einem Lager Druckerzeugnisse im Verkaufswert von 900 000 Euro sichergestellt.“

Der Schelm-Verlag verkaufte nicht nur die unkommentierte Ausgabe des Hitler-Machwerks „Mein Kampf“, im Angebot waren auch Schriften wie „Der Aufstieg der Juden“ und „Die jüdische Weltpest“. Unfassbar: Über die Internetseite des Verlages, die von Russland aus betrieben wird, kann man weiter die Hassschriften bestellen.

Das sind die Neonazi-Verleger

Den Angeklagten wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen, ihre Straftaten: Volksverhetzung. Ihnen drohen bis zu fünf Jahre Haft. Enrico Böhm war NPD-Stadtrat in Leipzig, stand bereits mehrfach vor Gericht, unter anderem wegen Volksverhetzung und Körperverletzung. Den Verlag soll er zusammen mit seiner Lebensgefährtin Annemarie K. gegründet haben.

2019 kam Matthias B., ein ehemaliger NPD-Kader, hinzu. Er betrieb ein Antiquariat in Gröditz (Sachsen). Zu den Gründungsmitgliedern gehört auch Adrian P. – er wird als „gesondert Verfolgter“ betitelt und aktuell mit europäischem Haftbefehl gesucht. Möglicherweise hält er sich in Russland auf.

Der Prozess vor dem Staatsschutzsenat des Oberlandesgerichts findet im Hochsicherheitssaal des OLG ab dem 14. März 2024 statt. Ein Urteil wird ab Mitte April erwartet.